Alle Jahre wieder
Alle Jahre wieder
Sie kennen bestimmt die Situation, die so zum Jahresende entsteht? Das Weihnachtsfest steht so nahe vor der Tür, sodass man diese kaum aufbekommt bzw. auf Schritt und Tritt eckt man an und stolpert unweigerlich darüber.
Bei Ihnen ist bestimmt im Vor- und Nahfeld soweit alles im grünen Bereich, die Feinplanung des 24. einschließlich bis zum 27. Dezember wurde im Familien-Rat, durch das Face-to-Face-Management strukturiert. Jeder kennt den genauen Ablauf, alles und jeder Beteiligte tickt synchron danach. Wenn da nicht der Weihnachtsbaum wäre, der genetzt auf dem Balkon in einem Eimer steht, der mit Wasser gefüllt ist und dies vom Baum, zur inneren Befeuchtung der Äste und Nadeln, aufgesogen wird.
Der Tag der Tage ist gekommen und alle 24. Dezember-Aktivitäten laufen an, so auch das Aufstellen des Tannenbaumes. Es werden jetzt einige Sequenzen dieser gewissenhaften anspruchsvollen Arbeit übersprungen und ich widme mich einem kleinen Teilbereich des Aufstellens des Baumes: dem Ausrichten. Wenn bis hier her alles paletti war, beginnt die Desillusionierung. Das „Anspitzen“ des unteren Teils des Stammes lässt schon vorahnen, was danach kommt, das genaue lotgerechte Ausrichten im Baumständer. Zeitlich ist man voll im Plan, aber es ist egal, wer in der großen Familie gefragt wird: “Schau einmal, steht der Baum jetzt gerade?“ jeder mäkelt vernichtend, „Mehr nach links. Nein, nicht so weit. Du hörst ja nicht zu, was ich sage. Du verwechselst links mit rechts …“ - nicht förderlich - herum. Irgendwie steht dann letztendlich der geschmückte Baum „schief“ an seinem zugewiesenen Platz. So oder so ähnlich könnte es bei Ihnen bestimmt auch sein, oder?
So im zehnten Jahr unser Wohnungs-Sesshaftigkeit entschlossen wir uns nach einem innovativen Christbaumständer umzuschauen und fanden endlich einen Super-Schnell-Ausricht-Ständer. Der Betrag, der dafür entrichtet wurde, schrammte unsere persönliche Geldausgabe-Schmerzensgrenze gewaltig. Man sprach sich aber selbst Trost zu, dieser ultimative Ständer war eine Investition für die Zukunft, also warum nicht. Hier die Kurzgebrauchsanweisung: Eine sehr stabile Kunststoffhülse schob man über das angespitzte Ende des Baumes, diese wurde mit einer griffigen, kräftigen Schraube befestigt. Den Baum mit der befestigten Hülse steckte man dann in den eigentlichen Baumständer und richtete diesen - durch einen beweglichen Kranz - mit leichtem Druck in die jeweilige Richtung aus. Danach trat man kräftig auf einen Exzenter-Fußhebel und der Baum stand gut ausgerichtet fest in dem Ständer, dies ist eine One-man-Aktion. Das gesamte Ausrichten dauerte maximal fünf Minuten. Unserer weihnachtlichen Harmonie stand ab da an nichts mehr im Wege, sie war gefestigt und auch mit der guten Aussicht für die Folgejahre. Kein Mäkeln kam im Familien- und Freundeskreis über die Lippen und wenn doch - sehr leise - war das nachträgliche Ausrichten, bedingt durch den Trocknungsschwund, ein Klacks. Es machte richtig Spaß, dies hätte zu meinemHobby werden können.
Wir freuten uns schon auf das nächste Weihnachtsfest, das unausbleiblich - am Anfang des Monats Januar - immer näher rückte und schwups war es da. Der Vorabend vom Heiligen Abend wurde dem Baumaufstellen gewidmet und sollte Freude bereiten. So wie wir dies schon einmal taten, den gespitzten Baum in die Hülse, mit der Schraube befestigt, in den Ständer gestellt, ausgerichtet und den Hebel mit dem Fuß befestigt. Gesagt getan. Ein scharfer, kurzer Befehl: „Ruhe!“ peitschte durch den Raum, Augenpaare kreisten verständnislos ins Leere, ein ganz leises Knacken schwebte durch das Zimmer. Der Baum neigt sich ganz langsam zur Seite und ließ sich fortan nicht mehr arretieren. Der Fall wurde untersucht, der Arretierungshebel und die daraus resultierende Kraft drückt auf eine Kunststoffwandung von ca. 3 mm Stärke, die hielt diesen Druck nicht aus (Fazit: Fehlkonstruktion). Jetzt begann die Hektik, Schnell-Reparatur war angesagt. Das Suchen nach Material, das Sägen, Feilen, Kleben, Schrauben, usw. um das dünne Material zu verstärken, beherrschte die nächsten Stunden. Vorsichtig dann den reparierten Ständer zum nächtlichen Aushärten des Klebers sichergestellt. Wir schliefen etwas unruhig in dieser Nacht. Im Traum verfolgte uns das Knirschen. Am nächsten Morgen, es hielt uns nichts mehr in den Federn, so um 6:00 Uhr aufgestanden, den Baum genommen und in den Ständer gestellt und mit dem Hebel arretiert. Ein uns bekanntes vertrautes - aber nicht erwartetes - Geräusch „Knirsch, knacks …“ drang an unser Ohr. Fazit: Kurz und gut, das Ding konnte nicht mit den im Haushalt befindlichen Mitteln repariert werden. Das Frühstück wurde - zeit-schonend - eingeworfen und ab ging es zum nicht geplanten, halbstündigen Einkauf eines neuen Baumständers. Aber wer meint, dass an diesem Tag, dem Heiligen Abend, massenweise Baumständer vorhanden sind, hat sich gewaltig verrechnet. Sie liegen nämlich alle schon, nicht direkt greifbar, im Sommerschlaf. Es sollte natürlich auch ein Ständer mit einer relativ guten Ausrichtmöglichkeit sein. Von einem Geschäft, Baumarkt, Haushaltswaren usw. zum nächsten gedüst, dort geschaut und nicht für gut befunden. Die Uhr hatte etwas gegen uns, die Zeiger rotierten mit einer schwindelerregenden Geschwindigkeit. Zum guten Schluss wurde so gegen 14:00 Uhr - wir schielten immer mit einem Auge auf die Zeiger - ein „Notkauf“ mit Hebel-Seilzugtechnik abgewickelt und rasten dann, langsam aufatmend, nach Hause.
Das Aufstellen war gerettet, aber mit einer untrüglichen Hektik, bei den Zeitressourcen ächzte und knirschte es an diesem Nachtmittag. Der Heilige Abend und das Weihnachtsfest nahmen dennoch so ab 20:00 Uhr seinen harmonischen Verlauf, alle waren zufrieden und begeistert. Den Notständer besitzen wir noch heute, der Super-Schnell-Ausricht-Ständer wurde - da durch die Fehlkonstruktion bedingt ökonomisch nicht reparabel war - ordnungsgemäß entsorgt. Am 24. Dezember erinnern wir uns, alle Jahre wieder, an die Weihnachtsbaumständer-Notkaufaktion, aber jetzt selbstverständlich schmunzelnd darüber. Autor: Peter Geue
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